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Arzneimittel auf dem Prüfstand: Medikamente als Nährstoffräuber

Keine Frage: Die heutige Arzneimittel-Vielfalt rettet oder erleichtert vielen Menschen das Leben. Bei aller Euphorie sollten wir jedoch nicht vergessen: Alle Medikamente (sowohl verschreibungspflichtig als auch frei verkäuflich) haben Nebenwirkungen. Diese sind normalerweise im Beipackzettel gelistet.

Das Angebot an Arzneimitteln wächst stetig, viele Menschen nehmen sogar täglich mehrere davon ein. Auch die Anzahl chronisch Kranker steigt und damit einhergehend der dauerhafte Medikamenten-Konsum.

Doch wusstest du, dass viele Arzneimittel Nährstoffmängel verursachen können?

Erfahre hier, welche das sind, und wie du deinen Körper unterstützen kannst.

Ganz still und heimlich – wie Arzneimittel Nährstoffe stehlen

Es gibt 6 verschiedene Gründe, warum die Einnahme von Arzneimitteln zu Nährstoffmängeln führen kann:

Erschwerte Bildung von Mikronährstoffen

Viele Arzneimittel erschweren unserem Körper die Bildung von Mikronährstoffen.

Ein bekanntes Beispiel dafür sind Cholesterinsenker, sogenannte Statine. Sie werden schon seit Jahren eingesetzt, um erhöhte Cholesterinwerte zu senken und so Herzinfarkten oder Schlaganfällen vorzubeugen.

Diese Medikamente vollziehen ihre Wirkung in der Leber. Dort hemmen sie ein bestimmtes Enzym, die HMG-CoA-Reduktase. Neben diesem Enzym wird aber auch die körpereigene Bildung von Coenzym Q10 blockiert. Dieses hat eine zentrale Rolle in der Energieproduktion der Zellen. Ein Mangel kann das Wohlbefinden deshalb stark beeinträchtigen. Beinkrämpfe, schwere und schmerzende Beine, hoher Blutzucker, Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Depressionen und Herzrhythmusstörungen sind nur ein Bruchteil der Symptome, die Betroffene bei einem Mangel spüren können.

Vermehrte Ausschneidung von Mikronährstoffe

Einige Medikamente sorgen dafür, dass mehrere Mikronährstoffe vermehrt über den Urin oder Stuhlgang ausgeschieden werden.

Sogenannte Diuretika werden beispielsweise verschrieben, wenn jemand unter Bluthochdruck, Ödemen oder einer Herzinsuffizienz leidet.  Die Wirkstoffe dieser Arzneimittel sorgen dafür, dass man über den Urin mehr Wasser verliert. Das ist gewollt, denn dadurch sinkt der Druck in den Blutgefäßen.

Das Problem: Dabei gehen auch wasserlösliche Vitamine und Mineralstoffe verloren. Besonders hervorzuheben sind hier Kalium, Magnesium, Zink und Calcium. Kennst du Furosemid? Dieses spezielle Diuretikum sorgt zusätzlich für eine sehr hohe Ausscheidung von Vitamin B1.

Es entsteht ein Teufelskreis, denn ein Mangel dieser Nährstoffe kann eine bereits bestehende Herzinsuffizienz sogar verschlechtern.

Gestörter Mikronährstoff-Stoffwechsel

Bestimmte Medikamente wirken sich negativ auf den Stoffwechsel einiger Mikronährstoffe aus.Ein Paradebeispiel dafür sind Antiepileptika, sie haben direkten Einfluss auf die Wirkungen von Vitamin D3.

Bei regelmäßiger Einnahme veranlassen die Wirkstoffe den Körper dazu, bestimmte Enzyme vermehrt zu bilden (24-Hydroxylasen). Diese beschleunigen dann den Abbau von Vitamin D3. In Folge kann sich die Versorgung mit dem Sonnen-Vitamin rapide verschlechtern. Durch den D3-Mangel wird anschließend vermehrt Calcium aus den Knochen gezogen.

Falls du also Antiepileptika langfristig einnimmst, solltest du unbedingt regelmäßig deine Vitamin D3-Versorgung überprüfen.

Gut zu wissen: Auch das gerne bei depressiven Verstimmungen eingesetzte Johanniskraut regt die Enzyme an, die das Vitamin D3 in seine inaktive Form umwandeln.

Unzureichende Aufnahme von Mikronährstoffen

Viele Menschen, die regelmäßig auf Medikamente angewiesen sind, kämpfen mit unterschiedlichen Begleiterscheinungen. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Kau- und Schluckbeschwerden infolge von Chemo- oder Strahlentherapie,
  • Reizungen oder Schäden der Mund- und Darmschleimhaut,
  • Appetitlosigkeit
  • Durchfall, Verstopfung oder Erbrechen

Mit diesen Symptomen kann es schwerfallen, genügend zu essen, was zu einem Mangel an Energie und Mikronährstoffen führen. Hinzu kommt: Durch viele Medikamente steigt der Nährstoffbedarf zusätzlich. So entsteht schnell ein Ungleichgewicht – entweder, weil zu wenig Nährstoffe zugeführt werden, oder weil der Körper sie aufgrund von Verdauungsproblemen gar nicht richtig aufnehmen kann. In solchen Fällen kann die gezielte Einnahme von Vitaminen und Mineralstoffen hilfreich sein.

Schlechtere Aufnahme von Mikronährstoffen über den Darm

Einige Medikamente können das Milieu im Magen-Darm-Trakt verändern, sie können sogar die Darmflora schädigen. Das hat erheblichen Einfluss auf den gesamten Darm und damit die Nährstoff-Aufnahme.

Bestimmt kennst du sogenannten „Magenschutz“, wie beispielsweise Pantoprazol. Pharmakologisch betrachtet sind das Protonenpumpeninhibitoren (PPIs). Sie werden gerne bei Sodbrennen oder Problemen mit Magen- und Zwölffingerdarm-Geschwüren verschrieben. Einige Ärzte verordnen sie bei täglicher Medikamenten-Einnahme sogar für den dauerhaften Gebrauch.

PPIs sorgen dafür, dass weniger Magensäure in den Magen abgegeben wird. Sein pH-Wert verändert sich deshalb, er wird basischer. Für die Nährstoff-Aufnahme ist das fatal: Die Aufnahme von Vitamin B12, Eisen und Magnesium wird dadurch erheblich beeinträchtigt.

Ein weiteres, sehr wichtiges Beispiel, ist das Anti-Diabetesmittel Metformin. Es hemmt die Aufnahme von Vitamin B12 stark. Diabetiker haben deshalb ein erhöhtes Risiko für einen B12-Mangel.

Beschleunigung oder Hemmung des Stoffwechsels

Medikamente sind für den Körper Fremdstoffe, was bedeutet, dass die Leber sie entgiften muss. Allein dieser Vorgang benötigt eine Vielzahl an Vitaminen und Mineralstoffen. Nur durch sie kann die Entgiftung überhaupt funktionieren. Zunächst führt also jedes Medikament zu einem erhöhten Nährstoffverbrauch.

Arzneimittel und Mikronährstoffe benutzen im Körper zudem sowohl bei der Aufnahme und Verstoffwechselung als auch bei der Ausscheidung dieselben Stoffwechselwege. Zum Teil konkurrieren sie deshalb um Enzyme und Transportmoleküle. Es kann dementsprechend vorkommen, dass der Körper bevorzugt Medikamente abbaut oder transportiert, anstatt die Zellen ausreichend mit Nährstoffen zu versorgen.  

Besonders ältere Menschen sind gefährdet

Der Konsum von Arzneimitteln ist in Deutschland allgegenwärtig. Im Laufe des Lebens nimmt fast jeder von uns mal Medikamente ein. Für eine kurze Zeit kommt unser Körper damit in der Regel gut zurecht; tückischer wird es bei einer regelmäßigen oder sogar dauerhaften Einnahme. Wenn nicht darauf geachtet wird, den erhöhten Nährstoffbedarf entsprechend auszugleichen, sind Nährstoffmängel nahezu unvermeidlich.

Besonders gefährdet sind Personen ab 60 Jahren. Das hat folgende Gründe:

  • Im Alter steigt der Nährstoffbedarf bei gleichzeitig sinkendem Energiebedarf. Das bedeutet, dass bereits ein gesunder älterer Mensch einen erhöhten Nährstoffbedarf aufweist. Es sollten deshalb besonders nährstoffreiche Lebensmittel, wie zum Beispiel sämtliche Gemüsearten, Fleisch, Innereien, Eier und Nüsse auf dem Speiseplan stehen.
  • Die Nährstoff-Aufnahme-Fähigkeit des Magen-Darm-Trakts lässt mit zunehmendem Alter nach.
  • Viele Personen dieser Altersgruppe nehmen täglich und dauerhaft mehrere Medikamente ein.

Vor allem der letzte Punkt ist wichtig. Neben Personen ab 60 Jahren sind hiervon auch chronisch Kranke betroffen. Gravierend ist die Lage in Altenheimen: Hier nimmt ein Mensch durchschnittlich ganze 9-12 Medikamente pro Tag zu sich.

Diese einzelnen Arzneimittel können sich gegenseitig beeinflussen und auch die Stoffwechsel-Funktionen durcheinanderbringen. Das beeinflusst wiederum den Nährstoffhaushalt – ungeachtet dessen, dass bereits jedes einzelne Medikament Auswirkungen auf die Nährstoffversorgung hat.

Die wesentlichsten Nährstoffräuber in unserer westlichen Welt sind die Anti-Baby-Pille, Antibiotika, Blutdrucksenker, Cholesterinsenker, Diabetesmittel, Diuretika, Krebsmedikamente, Säureblocker und Osteoporosemittel.

Viele Senioren nehmen täglich mehrere Medikamente ein. Hier den Überblick zu behalten, fällt oft nicht nur Laien schwer.

Chronische Erkrankungen – Daten und Fakten

Als chronische Erkrankungen werden Krankheiten bezeichnet, die mindestens ein Jahr andauern. Manchmal wird auch ein Zeitraum von sechs Monaten oder zwei Jahren angegeben. Aus schulmedizinischer Sicht können chronische Erkrankungen nicht vollständig geheilt werden. Die Beschwerden selbst sind vielfältig (beispielsweise können alle Bereiche unseres Körpers betroffen sein) und ihre Auswirkungen auf den Alltag und die Lebensqualität von Betroffenen ist meist gravierend. Etwa 40 % der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahren haben eine chronische Erkrankung. Dabei sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Am häufigsten sind Bluthochdruck (darunter leidet jeder dritte Deutsche!) und Diabetes Typ 2.

Das Risiko eines Nährstoffmangels durch ein Arzneimittel ist also vor allem von der Einnahmedauer abhängig. Eine kurzzeitige Einnahme ist für gesunde Menschen mit einer nährstoffreichen Ernährung meist unproblematisch.

Der Vollständigkeit und Wichtigkeit halber soll an dieser Stelle noch erwähnt werden: Auch, wenn man selbst auf direktem Wege keine Medikamente einnimmt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese trotzdem regelmäßig in unseren Körper gelangen.

Nach der Passage durch unseren Körper werden die meisten Wirkstoffe unverändert oder als Abbauprodukte wieder ausgeschieden. Hinzu kommt, dass viele Haushalte abgelaufene Medikamente unsachgemäß über den Ausguss oder die Toilette entsorgen. Mit dem Abwasser gelangen die Arzneimittelrückstände dann in die Kläranlagen. Hier reichen die herkömmlichen Reinigungstechniken leider nicht aus, um diese gänzlich zu entfernen. Die Rückstände gelangen in unser Leitungswasser. Inzwischen konnten bereits über 150 pharmazeutische Wirkstoffe in deutschen Gewässern und Böden gefunden werden.

Das bedeutet: Auch wer direkt keine Arzneimittel einnehmen muss, kann diese über Essen und Trinken aufnehmen. Auch in diesem Fall müssen sie wiederum entgiftet werden, was ebenfalls den Nährstoffbedarf erhöht.

Achte deshalb auf eine ausreichende Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen, setze möglichst auf Bio-Lebensmittel und verwende idealerweise einen Wasserfilter.

Auf einen Blick: Risikofaktoren für Nährstoffmängel durch Arzneimittel

  • Alter: über 60 Jahre
  • Geschlecht: weiblich
  • Gesundheitszustand: vor allem Beeinträchtigungen der Leber- und Nierenfunktion sowie der Magen-Darm-Gesundheit
  • Mangelhafte Versorgung mit Mikronährstoffen bei Einnahmebeginn
  • Art und Wirkungsweise des Arzneimittels
  • Langandauernde Medikationsdauer
  • Schlechte Ernährungsgewohnheiten
  • Genussmittelkonsum: Alkohol, Rauchen, Süßigkeiten, Junk Food

So unterstützt du deinen Körper bei der Einnahme von Medikamenten

In der beigefügten Tabelle findest du eine Übersicht über häufig eingenommene Medikamente und deren mögliche Auswirkungen auf die Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen. So bekommst du einen guten Überblick, bei welchen Nährstoffen ein besonderes Risiko für Mängel bestehen kann. Anschließend findest du verschiedene Möglichkeiten, wie du einem durch Arzneimittel bedingten Nährstoffmangel vorbeugen oder ihn ausgleichen kannst.

  1. Setze unnötige Medikamente ab: Versuche gemeinsam mit deinem Arzt / deiner Ärztin oder einer anderen Fachperson herauszufinden, was die eigentliche Ursache deiner Beschwerden ist – und ob sich diese vielleicht auch ganzheitlich behandeln lässt.
  2. Fülle bestehende Nährstoffmängel gezielt auf: Lass eine umfassende Analyse deiner Nährstoffversorgung durchführen, am zuverlässigsten gelingt das über eine Blutanalyse. Die Ergebnisse zeigen dir, welche Nährstoffe deinem Körper fehlen und du kannst diese gezielt ausgleichen.
  3. Passe deine Ernährung an: Achte auf eine ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung, die besonders viele der kritischen Nährstoffe enthält.
  4. Ergänze die „gefährdeten“ Nährstoffe: Wenn du weißt, welche Vitamine oder Mineralstoffe betroffen sind, kannst du sie regelmäßig über Nahrungsergänzungsmittel ergänzen, wenn es über die Nahrung allein nicht möglich ist.

Medikamente oder Wirkstoffe  
Vitamin B1Vitamin B2Vitamin B3Vitamin B6BiotinFolsäureVitamin B12Vitamin CVitamin AVitamin EVitamin DVitamin KEisenJodCoenzym Q10L-CarnitinKaliumCalciumMagnesiumZinkSelen
Abführmittel (Laxantien)        XXXX    XXX X
AntibiotikaXX XXXXXXXXXX   XXXXX
Antidepressiva XX           X      
Antidiabetika (wie Metformin)     XX       X  X   
AntiepileptikaXX XXX   XXX   X XXXX
Aspirin (ASS)     XXXX   X   XX   
Blutdrucksenker (Beta-Blocker, ACE Hemmer)   X  X X     X  XXXX
Cholesterinsenker (Statine)   X XX XXXXX X  XX X
Cortison (Glucocorticoide)   X   XX X X   XXXX 
Protonenpumpeninhibitoren (Magenschutz)XXXXXXXXX XXXX  XXXXX
orale Kontrazeptiva (Anti-Baby-Pille)XXXX XXXX   X    XXXX
Schmerzmittel (wie Ibuprofen, Diclofenac)   X   X X XXX  X    
Übersicht der am häufigsten eingenommenen Arzneimittel und deren Auswirkungen auf verschiedene Nährstoffe.


Fazit

Ein arzneimittelinduzierter Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen ist oftmals die Ursache für bestimmte Nebenwirkungen. In den Beipackzetteln der Produkte finden sich selten ausreichende Hinweise auf Neben- und Wechselwirkungen zwischen Arznei- und Mikronährstoffen. Insbesondere für Menschen über 60 Jahren, die regelmäßig bzw. langfristig Arzneimittel einnehmen, gestaltet es sich sehr schwierig den erhöhten Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen allein über die Ernährung zu decken. Es ist dann besonders ratsam den Körper durch eine gezielte und medikationsorientierte Einnahme von Mikronährstoff-Präparaten zu unterstützen.

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Aileen Preska

Aileen ist studierte Ökotrophologin (B. Sc.) und Ernährungswissenschaftlerin (M. Sc.) aus Leidenschaft. Sie ist außerdem ausgebildete Fitness-Trainerin (A-Lizenz). In ihrer Freizeit findet man sie daher immer im nächstgelegenen Schwimmbad, Fitnessstudio oder in der Küche - wenn sie nicht gerade auf Reisen ist.

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